Für den Einzelhandel: Flexible Modelle für Nachfrageprognosen in BigQuery ML
Skander Hannachi
AI/ML Specialist, Customer Engineer
Der Einzelhandel weiß den Wert von Nachfrageprognosen zu schätzen – Intuition, Produkt- und Markterfahrung ebenso wie saisonale Muster und Zyklen fließen in die Planung für die künftige Nachfrage ein. Moderne Einzelhandelsunternehmen sind nicht nur auf möglichst genaue Prognosen angewiesen, sondern stehen auch vor der Herausforderung, eine umfangreiche Nachfrageplanung aufzustellen. Produktsortimente mit Zehntausenden Artikeln in Hunderten von Verkaufsstandorten oder Absatzgebieten führen zu unzähligen Zeitachsen, die ohne Big-Data-Plattformen und skalierbare Lösungen für die Zeitreihenmodellierung schlicht nicht zu bewältigen sind.
Bislang gab es lediglich zwei Antworten auf diese Herausforderung:
Der Kauf einer kompletten Lösung für die Modellierung von Nachfrageprognosen, deren Implementierung und Pflege einen erheblichen Zeit- und Arbeitsaufwand bedeutet
Oder der Einsatz einer universellen Machine-Learning-Plattform für die Ausführung Ihrer eigenen Zeitreihenmodelle, die fundierte Fachkenntnisse sowohl in der Erstellung von ML-Modellen als auch im Daten-Engineering voraussetzt
Wir möchten dem Einzelhandel eine einfachere, flexiblere Lösung für die Nachfrageplanung an die Hand geben. Hierzu haben wir mit BigQuery ML ein Smart Analytics-Referenzmuster für die Zeitreihenprognose entwickelt, das auf dem ARIMA-Modell (autoregressiver, integrierter, gleitender Durchschnitt) basiert. Dieses ARIMA-Modell folgt dem Low-Code-Designprinzip von BigQuery ML und ermöglicht damit präzise Prognosen ohne weitergehende Kenntnisse rund um Zeitreihenmodelle. Das BigQuery ML-ARIMA-Modell bietet außerdem verschiedene Neuerungen gegenüber den ursprünglichen ARIMA-Modellen, die viele kennen. Dazu gehören beispielsweise die Möglichkeit zur Erfassung mehrerer saisonaler Muster, die automatische Modellauswahl, eine unkomplizierte Vorverarbeitungs-Pipeline und insbesondere die Möglichkeit, Tausende von Prognosen mühelos und mit wenigen Zeilen SQL-Code zu erzeugen.
In diesem Blogartikel betrachten wir die beiden häufigsten Arten von Nachfrageprognose-Teams. Wir untersuchen, wie BigQuery ML die Lücke zwischen diesen beiden Strukturen schließt, und wir zeigen, wie Sie Ihre Nachfrageplanung mit BigQuery ML in unvorhergesehenen Situationen wie etwa im Fall der Corona-Pandemie wieder auf die richtige Spur bringen.
In diesem Video können Sie sich über den gesamten Ablauf zur Implementierung des Entwurfsmusters für Nachfrageprognosen informieren:
Zwei Arten von Teams für die Vorhersage der Nachfrage
In großen Unternehmen waren bislang meist zwei Arten von Teams für die Prognostizierung der Nachfrage vertreten: das businessbasierte Prognoseteam und das wissenschaftsbasierte Prognoseteam.
Das businessbasierte Team arbeitet in der Regel mit umfassenden ERP- oder SaaS-Prognoselösungen (oder manchmal auch mit einer intern entwickelten Lösung), die keine erweiterten Data-Science-Kenntnisse erfordern. Diese ERP-Lösungen erzeugen vollautomatisierte Prognosen. Die Teammitglieder kommen oftmals aus dem geschäftlichen Bereich des Unternehmens und bringen keine ausgeprägten technischen Fertigkeiten mit, sondern eher umfangreiche fachliche und betriebswirtschaftliche Kenntnisse. Dieser Ansatz ist in vielen großen traditionellen Unternehmen vertreten. Die Lösungen lassen sich problemlos skalieren, doch ihre Implementierung und Pflege verlangt einen erheblichen Zeit- und Arbeitsaufwand. Hier kommen meist große Implementierungs- und DevOps-Teams, mehrere dedizierte Computer- und Speichersysteme sowie stundenlange Batchzyklen nach festem Zeitplan für die Aktualisierung der Prognosen ins Spiel.
Das wissenschaftsbasierte Prognoseteam setzt sich meist aus Fachleuten mit Hochschulabschluss oder gar Doktortitel zusammen, die in einer Data-Science- oder Tech-Organisation tätig sind und Python oder R beherrschen. Sie arbeiten mit einer Cloud-KI-Plattform und erstellen selbstständig die gesamte Prognose, von der Auswahl über den Aufbau und das Training bis hin zur Bewertung eines Modells. Anschließend stellen sie das Modell in der Produktionsumgebung bereit und geben die Ergebnisse an die relevanten Personen sowie die Führungskräfte des Unternehmens weiter. Ein solches Team ist oft in Digital-Native-Organisationen zu finden.
Eine neue Art von Prognoseteam
In jüngster Zeit hat sich eine neue Form von Prognoseteam herausgebildet. Solche Teams sind oft in Unternehmen ansässig, die sich stärker an Daten und Modellen orientierten möchten, aber nicht über die nötigen finanziellen Mittel für eine kostenintensive ERP-Lösung oder die Einstellung von hoch qualifizierten Data-Science-Fachleuten verfügen. Die Teams haben meist gute Kenntnisse in der Prognose und der Nachfrageplanung, doch nicht genügend Erfahrung oder Unternehmensressourcen für die Bereitstellung benutzerdefinierter Modelle im großen Maßstab. Dennoch können Teams dieser Art mit den richtigen Hilfsmitteln das Beste beider Bereiche zusammenbringen: die erweiterte Modellierung der wissenschaftsbasierten Prognoseteams und die eingehenden Fachkenntnisse der businessbasierten Prognoseteams.
Auf unvorhersehbare Szenarien reagieren
Wie nahezu jedes Unternehmen im Jahr 2020 aus erster Hand erleben musste, können bestimmte Ereignisse wie die COVID-19-Pandemie für die Nachfrageprognose relevante Signale mit einem Schlag bedeutungslos machen – und die bestehenden Modelle ad absurdum führen.
In einer ERP-Prognoselösung führen selbst kleine Änderungen an der Konfiguration des Lieferketten- und Standortnetzes zu einer Änderung der Nachfragemuster, die eine erhebliche Umstrukturierung der Lösung für die Nachfrageplanung und die Unterstützung durch ein großes Supportteam erfordert. BigQuery ML vereinfacht diese Anpassungen sowohl in erwarteten als auch unerwarteten Situationen. Durch den serverlosen Aufbau läuft die Skalierung automatisch ab und der DevOps-Zeit- und Arbeitsaufwand sinkt. Nach einer Änderung des Lieferketten-Netzwerks dauert die Neuerzeugung der Prognosen nur noch einige Stunden statt wie bisher mehrere Wochen.
Erste Schritte mit einem BigQuery ML-Referenzmuster
Für den leichteren Einstieg in Google Cloud-Tools wie BigQuery ML haben wir vor Kurzem Smart Analytics-Referenzmuster veröffentlicht. Diese technischen Referenzleitfäden enthalten Beispielcode für gängige Analyse-Anwendungsfälle. Unsere Kundenunternehmen möchten Analysetools in der Praxis möglichst einfach nutzen können. Die bisherigen Referenzmuster decken Anwendungsfälle wie die Prognose des Customer Lifetime Value, der Kaufneigung, Produkt-Empfehlungssysteme und vieles mehr ab.
Unser neuestes Referenzmuster auf GitHub soll Ihnen als Starthilfe für die Generierung von Zeitreihenprognosen im großen Maßstab dienen. Dieses Entwurfsmuster zeigt, wie Sie ein Modell für Nachfrageprognosen mit BigQuery ML anhand bisheriger Verkaufsdaten trainieren und die Prognosen dann in einem Dashboard darstellen.
Weitere Informationen und eine schrittweise Anleitung zu diesem Prozess (Beispiel: Prognose des Spirituosenverkaufs in Iowa für die nächsten 30 Tage anhand der bisherigen Verkaufsdaten) finden Sie in diesem Artikel. In diesem Blogpost finden Sie Informationen zu folgenden Themen:
- Daten per Vorverarbeitung in das richtige Format für die Erstellung eines Modells für Nachfrageprognosen mit BigQuery ML bringen
- Mehrere BigQuery ARIMA-Zeitreihenmodelle in BigQuery ML anpassen
- Modelle bewerten und Zukunftsprognosen für einen bestimmten Prognosezeitraum aufstellen
- Dashboard für die Darstellung der prognostizierten Nachfrage in Data Studio erstellen
- Geplante Abfragen einrichten, mit denen die Modelle in regelmäßigen Abständen automatisch neu abgestimmt werden
Lassen Sie uns die hier vorgestellten Konzepte noch etwas genauer betrachten.
BigQuery ML schließt die Lücke zwischen Business- und Wissenschaftsprognose
Die eben besprochenen Features zeigen, wie BigQuery ML dazu beiträgt, die bestehenden Ansätze für umfangreiche Prognosen zu verbinden, sodass Sie eine eigene Plattform für Nachfrageprognosen aufbauen können, ohne auf die Hilfe hoch spezialisierter Data Scientists für Zeitachsen angewiesen zu sein. Diese Lösung umfasst Tools für die direkte Generierung von Prognosen im großen Maßstab und ist damit ideal für „Hybrid-Prognoseteams“.
Mit BigQuery ML können Sie ML-Modelle per SQL trainieren und bereitstellen. So werden Ihre Herausforderungen im Bereich Datenmodellierung mehr Personen zugänglich gemacht, und Sie können die Tools für Nachfrageprognosen sowie für den Geschäftsbetrieb relevante Erkenntnisse für eine größere Gruppe von Fachleuten in Ihrem Unternehmen bereitstellen.
Mit dem ML-ARIMA-Modell von BigQuery sind Einzelhandelsunternehmen beispielsweise in unerwarteten Situationen in der Lage, Tausende von Prognosen mit neuen Daten in kürzerer Zeit aufzustellen. Sie können die Nachfrageprognosen kostengünstiger abstimmen, Veränderungen in den Trends aufdecken und mehrere Iterationen durchführen, die neue Muster dynamisch erfassen, ohne ein ganzes DevOps-Team beschäftigen zu müssen.
Mit BigQuery ML als Prognose-Engine schließen Sie die Lücke zwischen den businessbasierten beziehungsweise Hybrid-Prognoseteams und den spezialisierten Data-Science-Teams. Die Prognoseanalyst:innen übernehmen beispielsweise die Aufstellung und Prüfung der statistischen Baseline-Prognosen mit BigQuery, wobei sie erfahrene Data Scientists einbinden, die je nach Bedarf eine erweiterte Ursachen-Wirkungs-Analyse für einen Teil der Daten vornehmen oder die Auswirkungen von Covid-19 auf veränderte Nachfragemuster auswerten. Kurz gesagt: „DemandOps“ statt „DevOps“.
Dies ist auch dann möglich, wenn Sie bereits mit ERP-Tools zur Nachfrageplanung arbeiten: Ihre Prognosen und Verkaufszahlen werden bei jeder Aktualisierung (oder auch je nach Bedarf) in BigQuery exportiert. Mit großer Wahrscheinlichkeit nutzt ein Einzelhandelsunternehmen bereits mehrere Zeitreihenprognosen, die in verschiedenen Geschäftsbereichen durchgeführt werden. Das Merchandising-Team führt taktische und operative Nachfrageprognosen durch, die Finanzabteilung prognostiziert die Umsatzerlöse und in den Rechenzentren der Lieferkette kommen eigene Prognosen für die Kapazitätsplanung zum Einsatz, jeweils mit speziellen Tools. Diese Prognosen werden isoliert voneinander aufgestellt, doch ein Abgleich würde ihre Genauigkeit erhöhen und der Organisation wertvolle ganzheitliche Einblicke in die Geschäftsabläufe eröffnen, die mit isolierten Prognosen und Analysen schlichtweg nicht möglich sind.
Auf Grundlage der Auswertung von Markt- und Produktzahlen prognostiziert die Merchandising-Abteilung beispielsweise eine erhöhte Nachfrage nach einem bestimmten Produkt. Getrennt davon bemerkt die Lieferkette verschiedene Faktoren, die sich negativ auf den Produktions- und Logistikbereich auswirken und einen Rückgang beim Produktversand prognostizieren. Diese Diskrepanz bleibt in der Regel mehrere Wochen lang unentdeckt und wird dann in E-Mails und Konferenzen behoben. Bis dahin ist es jedoch schon zu spät, da die verschiedenen Teams bereits gegenläufige Planungsentscheidungen getroffen haben. Der Schaden ist also bereits entstanden. Mit BigQuery als zentralisierter Prognoseplattform kann ein Handelsunternehmen eine solche Diskrepanz innerhalb weniger Stunden oder Tage aufdecken und dann entsprechend reagieren, ohne mehrere Wochen später die Planungsentscheidungen rückgängig machen zu müssen.
BigQuery und BigQuery ML bilden eine ideale Plattform für die Zusammenarbeit unterschiedlicher Prognoseteams, die weit mehr Möglichkeiten bietet als die ohnehin schon leistungsstarken ARIMA-Modellfunktionen von BigQuery.
Google Cloud bietet mehrere Lösungen, mit denen Sie in diesen Zeiten des Wandels Ihre Möglichkeiten zur Erstellung von Nachfrageprognosen erweitern und den Lagerbestand optimieren können. Neben den BigQuery ML-Tools, die in diesem Blog beschrieben wurden, gibt es zusätzlich folgende Funktionen und Lösungen:
- Erstellen eigener Zeitreihenmodelle (statistisch oder ML-basiert) mit Ihren bevorzugten Open-Source-Frameworks in Jupyterlab-Instanzen auf der Cloud AI Platform
- Automatisches Auswählen und Trainieren bahnbrechender Deep-Learning-Zeitachsenmodelle mit AutoML Forecast
- Nutzen unserer kommenden vollständig verwalteten Prognoselösung Demand AI (derzeit im experimentellen Stadium)
- Implementieren einer Einzelhandels-Planungsplattform mit Prognosefunktionen gemeinsam mit einem Partner wie o9 Solutions in Google Cloud
Weitere Beispiele mit Referenzmustern für die Datenanalyse finden Sie in der Übersicht zur vorausschauenden Prognose in unserem Katalog. Sind Sie bereit für BigQuery ML? In unserer Produktübersicht erhalten Sie weitere Informationen.
Sie möchten die BigQuery ML-Funktionen näher kennenlernen? Unter folgendem Link können Sie sich die Aufzeichnung unserer kostenlosen Schulung zu Training, Auswertung und Prognose der Bestandsnachfrage anhand von Einzelhandels-Verkaufsdaten in BigQuery ML ansehen.