Vielfalt und integrative hybride Arbeitsumgebungen sind die Zukunft
Maribel Lopez
Founder, Analyst & Author, Lopez Research
Viele Führungskräfte bekommen weltweit die Auswirkungen der aktuellen Umstellung auf hybride Arbeitsmodelle zu spüren. Diese weitreichende Transformation bedeutet eine deutliche Abkehr von der bestehenden Bürokultur. Unternehmen sind dabei, ihre Infrastruktur auf flexible Arbeitsmodelle umzustellen, und prüfen gleichzeitig, was notwendig ist, um Mitarbeiter*innen für diese neue Umgebung zu gewinnen und zu halten. Diese beiden Projekte sollten aber nicht getrennt voneinander betrachtet werden. Vielmehr bietet sich den Verantwortlichen die einmalige Gelegenheit, die Unternehmenskultur mithilfe von Strategien zu überarbeiten, die sich auf hybride Arbeitsformen, Vielfalt, Gleichberechtigung und Integration (Diversity, Equity, Inclusion, DEI) gleichzeitig konzentrieren. Keine einfache Aufgabe – doch wir zeigen den Weg zu einer erfolgreichen DEI-Strategie in Verbindung mit hybriden Arbeitsmodellen auf.
Eine integrative Unternehmenskultur schaffen
Steht Vielfalt, Gleichberechtigung und Integration im Mittelpunkt, so bedeutet das auch eine Abkehr von der Praxis, jemandem eine bestimmte Rolle oder Plattform anzubieten, nur weil die Person in eine bestimmte demographische Kategorie passt. Wenn die Qualifikationsanforderungen nicht klar definiert sind, kommt es zu Konflikten und kultureller Ungleichheit. Vielfalt heißt, Leistungsorientierung zu schaffen mit gleicher Bezahlung und gleichen Chancen für alle.
Unternehmen, die DEI und hybride Arbeitsstrategien sinnvoll miteinander verknüpfen, schaffen eine Kultur, die die Zufriedenheit der Belegschaft und gleichzeitig die betriebliche Agilität verbessert. Mit folgenden Initiativen können DEI und hybride Arbeitsplätze zusammen zu besseren Geschäftsergebnissen beitragen:
Den gesamten verfügbaren Talentpool erweitern. Die Art und der Ort der Suche nach Mitarbeiter*innen muss ausgeweitet werden. Flexible Arbeitszeiten können die Attraktivität für potenzielle Talente erhöhen, weil sie als Eltern, Betreuer*innen oder bei anderen Aufgaben die Möglichkeit haben, die Arbeitszeiten individuell, entsprechend ihrer privaten Verpflichtungen zu wählen. Auch das remote Arbeiten nimmt in den Wünschen der Arbeitssuchenden einen höheren Stellenwert ein. So ergab eine FlexJobs-Umfrage, dass 24 % der Arbeitnehmenden die Möglichkeit, von zu Hause aus zu arbeiten, als so wichtig erachten, dass sie bereit wären, auf 10-20 % ihres Gehalts zu verzichten, um remote arbeiten zu können – und 21 % würden einen Teil ihres Urlaubs dafür opfern.
Eine integrative Kultur schaffen: Bewerber*innen möchten für Unternehmen arbeiten, die einer DEI-Strategie den Vorzug geben. Laut einer aktuellen Umfrage von CNBC und SurveyMonkey Workforce möchten fast 80 % der Arbeitnehmer*innen für ein Unternehmen arbeiten, das Wert auf Vielfalt, Gleichberechtigung und Integration legt. Eine DEI-zentrierte Arbeitskultur gibt Mitarbeiter*innen das Gefühl, einen Platz für sich gefunden zu haben.
Innovation und Rentabilität durch breitere Perspektiven fördern. Generell fördern Vielfalt und Einbeziehung den Ideenaustausch von Menschen mit unterschiedlichem Hintergrund – und daraus entsteht mehr Kreativität, Innovation und es zieht neue Kund*innen an. Ein heterogenes Team mit einem breiten Spektrum ethnischer Zugehörigkeit, Alter, zugewiesenem Geschlecht und sozioökonomischem Hintergrund verpasst seltener Marktchancen. Eine McKinsey-Analyse aus dem Jahr 2020 zeigt, dass Unternehmen, die hinsichtlich der ethnischen und kulturellen Vielfalt in den Führungsteams im obersten Quartil liegen, mit 36 % höherer Wahrscheinlichkeit eine überdurchschnittliche Rentabilität aufweisen als die im vierten Quartil.
Hybride Arbeitsmodelle sollten DEI-Bemühungen nicht beeinträchtigen
Die Integration von DEI und hybriden Arbeitsstrategien bietet zahlreiche Vorteile, doch sollten die damit einhergehenden Herausforderungen nicht außer Acht gelassen werden. Das Angebot von hybriden Modellen birgt die Gefahr, neue Ungerechtigkeiten zu schaffen und bestehende zu verschärfen. Dazu gehört das Problem einer Entscheidung, welche Mitarbeiter*innen remote arbeiten können. Einem Beitrag von HBR zufolge konnten vor der Covid-19-Pandemie weniger als 30 % aller Arbeitnehmer*innen im Homeoffice arbeiten; nur 16 % der lateinamerikanischen und 19 % der schwarzen Arbeitnehmer*innen hatten diese Möglichkeit, verglichen mit 37 % der asiatischen Arbeitnehmer*innen und 30 % der weißen Arbeitnehmer*innen.
Zudem gilt es für Mitarbeitenden im Homeoffice, darauf zu achten, den so genannten „Proximity Bias“ (Effekt der räumlichen Nähe) zu verhindern, demzufolge physisch präsente Mitarbeiter*innen eher beachtet werden. Eine Studie von SHRM fand heraus, dass 67 % der Vorgesetzten zugaben, Remote-Mitarbeiter*innen für leichter ersetzbar zu halten als die, die vor Ort arbeiten. 72 % der Befragten, zögen es vor, wenn alle Mitarbeiter*innen ihres Teams im Büro arbeiten würden.
Eine hybride Arbeitsumgebung ist dann erfolgreich, wenn sie ein Gleichgewicht zwischen Flexibilität und Einbeziehung schafft, so dass sich die oder der Einzelne wertgeschätzt fühlt und jeder die gleichen Aufstiegschancen hat. Eine weitere Studie kam zu dem Schluss, dass die Remote-Mitarbeiter*innen und die im Büro zwar in gleichem Maße befördert wurden, dass aber die Gehälter der remote arbeitenden Belegschaft langsamer stiegen. Führende Unternehmen haben erkannt, dass es nicht notwendig ist, immer im Büro zu arbeiten, um gute Ergebnisse zu erzielen.
Acht Schritte hin zu einer vielfältigen hybriden Arbeitskultur
An DEI kommen Firmen nicht mehr vorbei, deshalb müssen sie dafür sorgen, unbewusste Vorbehalte zu minimieren, marktgerechte Gehälter für alle Mitarbeiter*innen zu schaffen und Bildungsprogramme einzuführen, die die Talententwicklung fördern. Die folgenden acht Schritte unterstützen bei der Realisierung des Vorhabens.
- Schulung aktueller und künftiger Führungskräfte für DEI und hybride Arbeitsformen. Bei der Entwicklung hybrider Arbeitsstrategien sollten unbewusste Vorbehalte beseitigt werden. Laut Deloitte benötigen Unternehmen eine ganzheitliche DEI-Lernstrategie, die Schulungen zur Schaffung der Voraussetzungen für langfristige Verhaltensänderungen umfasst.
- Einsatz von Tools zur Unterstützung von DEI und hybriden Arbeitsplätzen. Unternehmen können Technologie und KI-fähige HR-Software für ihre Vorhaben nutzen. Kollaborations-Tools bieten jedem eine Stimme, unabhängig vom Aufenthaltsort (z. B. die Verwendung von Spaces für Team-Chats in Google Workspace, damit alle auf dieselben Informationen zugreifen können). Funktionen für Videoanrufe wie Transkription und Übersetzung helfen Hör- und Sehbehinderten und bei der Kommunikation zwischen Mitarbeiter*innen, die unterschiedliche Sprachen sprechen. Des Weiteren gibt es Personalbeschaffungslösungen mit KI-Technologie, um die Gefahr von Voreingenommenheit oder Diskriminierung bei der Überprüfung von Bewerber*innen zu verringern.
- Stärkung der Kultur durch die Verbindung von DEI und Leistungsdenken. Explizite Richtlinien sollten sicherstellen, dass Systeme und Verfahren für die Einstellung und Beförderung von Mitarbeiter*innen sowohl transparent als auch gerecht sind. Dazu gehören detaillierte Stellenanforderungen und Kennzahlen für jede Funktion, um zu verstehen, welche Fähigkeiten mit bestimmten Funktionen verbunden sind. Außerdem sollten Prozesse so gestaltet sein, dass Voreingenommenheit ausgeschlossen ist. Führende Unternehmen setzen Analyse-Tools ein, um die Fairness der Systeme zu bewerten und den Fortschritt der Systeme im Hinblick auf die Diversitätsziele zu verfolgen.
- Aufsetzen von Weiterbildungsprogrammen für die Belegschaft. Für viele Unternehmen ist es schwierig, Mitarbeiter*innen mit den passenden Fähigkeiten zu finden. Sie können stattdessen in die Ausbildung der vorhandenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter investieren und auf jeder Ebene vielfältige Talente fördern, um eine Auswahl für das obere Management zu erweitern. Ähnlich wie Unternehmen Management-Trainingsprogramme für Hochschulabsolvent*innen anbieten, sollten sie Programme entwickeln, die die Fähigkeiten von Mitarbeiter*innen der ersten und mittleren Ebene verbessern. Fast jede Position erfordert ein gewisses Maß an technischen Kenntnissen.
- Anpassung der Vergütung, bevor Mitarbeiter*innen gehen. Es ist einfacher, Mitarbeiter*innen zu halten als neue zu finden und zu schulen. Laut dem Tracker der Lohnsteigerung der Atlanta Federal Reserve Bank sind die Gehälter von Mitarbeiter*innen, die den Arbeitsplatz gewechselt haben, höher als die derjenigen, die seit 2011 beim gleichen Arbeitgeber geblieben sind.
- Geld ist nicht alles! Manche mögen des Geldes wegen den Arbeitsplatz wechseln, aber oft bleiben Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auch wegen der Unternehmenskultur in ihrem Unternehmen. Programme für die Arbeit von zu Hause aus, flexible Arbeitszeiten und fortschrittliche Programme etwa für die Kinderbetreuung schaffen die Grundlage für eine erstklassige Zufriedenheit der Belegschaft. McKinsey hat herausgefunden, dass Angestellte, die sich einbezogen fühlen, mit dreimal höherer Wahrscheinlichkeit gerne für ihr Unternehmen arbeiten und sich für dessen Erfolg einsetzen. Ein anderer McKinsey-Bericht, der sich mit der Fluktuation befasst, zeigt, dass Angestellte Unternehmen vor allem deshalb verlassen, weil sie sich nicht wertgeschätzt fühlen oder kein Zugehörigkeitsgefühl haben.
- Ressourcen binden. Die meisten Unternehmen müssen nun in neue Arbeits-Tools und Schulungsprogramme investieren und neue Einstellungs- und Talentmanagementverfahren entwickeln. Sie können mit weniger Ressourcen eine größere Wirkung erzielen, wenn Anschaffungen und Prozesse eine flexible und integrative Arbeitskultur unterstützen.
- Maßnahmen mit DEI-Transparenzmessungen untermauern. Der Druck, DEI zu unterstützen, führt manchmal dazu, dass Aktivitäten über Ergebnisse gestellt werden. Es ist nicht leicht, die Probleme offen und transparent zu benennen. Deshalb sollten Arbeitgeber eine aktuelle Bestandsaufnahme machen, sich Ziele für die Zukunft setzen und einen messbaren Aktionsplan aufstellen, um die Fortschritte zu verfolgen.
Vielfalt als Basis
Vielfalt muss Bestandteil der Maßnahmen sein, denn sie macht den Kern der angestrebten Kultur aus. So kündigte Goldman Sachs 2021 an, in den Vereinigten Staaten und in Europa nur noch Börsengänge von Unternehmen zu zeichnen, die mindestens zwei Vorstandsmitglieder haben. Auch die US-Börsenaufsichtsbehörde Securities and Exchange Commission (SEC) hat in diesem Sommer neue Vorschriften erlassen, wonach an der Nasdaq notierte Unternehmen mindestens zwei Mitglieder in den Vorstand berufen müssen, darunter eine Frau und mindestens ein/e Angehörige/r einer unterrepräsentierten Bevölkerungsgruppe.
Damit die Vorteile der Vielfalt am Arbeitsplatz zum Tragen kommen bedarf es eines Kultur- und Verhaltenswandels. Im ICSM-Bericht heißt es: „Seien Sie nie zu zufrieden mit Ihren Bemühungen, denn es gibt immer Raum für Verbesserungen bei der Vielfalt in Ihrem Unternehmen, ob Sie es nun wahrhaben wollen oder nicht.“ In Zukunft wird erwartet, dass sich ein Unternehmen durch Investitionen in eine vielfältige, integrative und hybride Arbeitskultur von seinen Mitbewerbern abhebt.